
‘Die Massen sind unfähig, Meinungen zu haben ausser jenen, die ihnen eingeflösst werden.’ Diese nüchterne Analyse stammt von Gustave Le Bon, dem Begründer der Massenpsychologie. Nachfolgend eine Rezension zu seinem Buch «Psychologie der Massen» und eine Einschätzung zur aktuellen Lage.
In seinem Buch beschreibt Le Bon den geistigen Stand der Massen als ausserordentlich tief. Mit Regeln könne man die Masse nur schwer leiten, aber man könne sie verführen durch Eindrücke, die man in ihre Seele pflanze. Le Bon ergänzt, dass man soziale Organismen nie jäh tiefgreifend umwandeln wollen dürfe, doch über die Zeit hinweg könne man die Seelen der Völker durchaus verändern.
Das Buch «Psychologie der Massen» von Le Bon enthält einen Fundus an Wissen und Einschätzungen zum Verhalten von Menschen in der Masse, also wenn sie nicht einzeln, sondern als Gruppe oder in der Menge agieren. Diese Lektüre ist ernüchternd. Aber auch erhellend. Es wird klar, weshalb sich die Menschen immer wieder ausbeuten und in Kriege führen lassen, ja, weshalb sie sich an Entwicklungen, die ihnen massiv schaden werden, gar aktiv beteiligen oder – ebenfalls wirkungsvoll – wann und weshalb sie die Lügner und Betrüger gewähren lassen.
In der allgemeinen Wahrnehmung gilt der Sturz eines Herrscherhauses als tiefgreifende Veränderung. Aber das ist falsch. Der Sturz ist nur noch die sichtbare Auswirkung von vorhergehenden, unsichtbaren Veränderungen. Die entscheidenden Veränderungen erfolgten viel früher, in den Anschauungen des Volkes, in seinen Begriffen und in seinem Glauben und Denken. Das Wesentliche lief vor dem Sturz, in der Regel wenig offensichtlich, aber über längere Zeit.
Bemerkenswert ist die Feststellung von Le Bon, dass Umwälzungen nur möglich sind, wenn die Massenseele diese ins Leben ruft. Er schreibt, dass auch die unumschränktesten Gewaltherrscher nichts entfesseln können, das nicht der Massenseele entspringt und also dort vorbereitet und initiiert werden muss.
Die Grundanschauungen eines Volkes verändern sich aber nur sehr langsam. Und Veränderungen wirken erst, wenn sie in das Unbewusste der Menschen eingedrungen sind und zu einem Gefühl geworden sind. Welche Idee man der Masse auch suggerieren will, sie muss ihr in sehr einfacher Form eingetrichtert werden, und zwar so, dass sie sich im Geist des Einzelnen bildhaft widerspiegeln kann. Wenn sich eine Idee bildhaft in die Seele der Masse eingegraben und die tiefen inneren Anschauungen verändert hat, entwickelt sie eine unwiderstehliche Macht und wirkt auf die Worte und Taten der Volksmenge.
Entscheidend für die Herrschenden sind also die Grundanschauungen der beherrschten Menge. Wer diese zu beeinflussen vermag, steuert die Masse.
Wenn bei den Massen gewisse Ideen plötzlich in den Vordergrund treten, so ist das also nur die Oberfläche und dahinter steht eine lange Vorarbeit, denn nur die vorbereitete Massenseele kann durch gezielte Aktivitäten, Propaganda und geschickte Redner aufgerüttelt und in einem gewünschten Sinn beeinflusst werden.
Das funktioniert natürlich nur oder am besten, wenn die Masse nicht bemerkt hat, von wem und in welche Richtung sie beeinflusst wird. Oft ist das Ziel der Herrschenden ja, dass die Massen schliesslich stark gegen ihre eigenen Interessen agieren und das tun sie nur, wenn sie gar nicht mitbekommen, um was es wirklich geht. Das Ziel ist erreicht, wenn die Menschen dem Trugbild folgen, ohne zu bemerken, dass sie verführt werden. Wie verheerend sie sich selbst schaden, merken sie gewöhnlich erst, wenn es zu spät ist.
Wer das Denken der Masse zu beeinflussen vermag, ohne dass sie es merkt, kann sie zu seinen Gunsten ausnutzen, sei es über Steuern oder Zwänge und bei Bedarf auch über Krieg. Allein Skrupel könnten Grenzen setzen, aber entgegen der Annahme eines Grossteils der Bevölkerung, kann die Skrupellosigkeit grenzenlos sein.
Doch wie beeinflusst man eine Masse? Wie macht man Eindruck auf die Massen? – Nie durch den Versuch, auf Vernunft und Verstand zu wirken! Nie geht es um Logik oder Folgerichtigkeit. – Was es braucht, sind Dinge, die die Phantasie der Masse erregen. Und dies konstant, immer wieder, auf verschiedene Weise und auf verschiedenen Wegen. Die Masse kommt einem da entgegen, da ihre Einbildungskraft leicht auf das Tiefste zu erregen ist. Während die vorbereitende Dauerbearbeitung in vielen kleinen, verschiedenartigen, oft emotionalisierenden Schritten erfolgt, braucht es für das Aufrütteln, für den Umbruch etwas Mächtiges. Einen grossen Sieg, ein grosses Wunder, ein grosses Verbrechen, eine grosse Hoffnung, ein packendes Bild, eine schockierende Leiche, ein unerwartetes Testament. Es sind viele kleine Bilder oder Verbrechen, welche vorbereiten, aber das umwälzende Ereignis wird durch ein einziges, unerhörtes Bild oder Verbrechen ausgelöst. Ein einziges grosses Bild oder Unglück. Ob diese Bilder oder Sequenzen wahr sind oder nicht, ist wenig bedeutend. Wenn sie einmal gewirkt haben, bleiben sie und wirken weiter.
Mit solchen Bildern oder Aktionen werden Botschaften transportiert. Die Leichtigkeit, mit der gewisse Meinungen auf diese Weise allgemein werden können, hängt vor allem mit der Unfähigkeit der meisten Menschen zusammen, sich eine eigene Meinung zu bilden. Denn kritisches Denken ist anstrengend und oft auch unangenehm. Meinungen zu übernehmen dagegen, insbesondere Mehrheitsmeinungen, hat zwar nichts mit denken zu tun, ist aber bequem. Und man ist in der Herde und da ist man scheinbar sicher.
Le Bon schreibt in seinem Buch auch, welche Eigenschaften erfolgreiche Führer der Massen brauchen und welche Wirkungsmittel (Behauptung, Wiederholung, Übertragung) sie anwenden müssen, damit die Verführung gelingt. Wenn bestimmte Ziele über lange Zeit verfolgt werden und wenn dabei auf Macht und Geld gebaut werden kann, wird, mild formuliert, sehr viel möglich. Ja, es war wahrlich nicht der Eigennutz der Massen, der sie in so viele Kriege führte.
Die Kunst, die Massen zu regieren, ist also die Kunst, ihre Einbildungskraft zu erregen. Langdauernd und ununterbrochen, schreibt Le Bon. Aber wie werden die Grundanschauungen der heutigen Massen geformt?
Seit Jahrzehnten beeinflussen Hollywood und anderen Filmfabriken die Massen mit bestimmten Werten und Moralvorstellungen oder dem Gegenteil davon. Auch die Musikszene, die Stars, Nachrichtenagenturen, Politiker, Staats- und Konzernmedien, Schulen und Hochschulen, Werbung und so fort wirken auf die Menschen ein. Mit Bildern und Geschichten zu Klima, Gender, Familie, Abtreibung, Christentum, Esoterik, Wokismus, Parteien, Transgender, Pandemien oder Krieg werden die Meinungen geformt. Wer etwas tausendmal hört, nimmt irgendwann an, dass es so ist. Ja er bemerkt nicht einmal, dass er eine Meinung übernommen hat. Um alternative Sichten müsste man sich kümmern und wer hat schon die Zeit dafür, neben Schule, Beruf, Freunden, Familie und Netflix? Le Bon schreibt, dass viele Massen sich schliesslich für Überzeugungen und Ideen, die sie kaum verstanden haben, heldenhaft hinschlachten liessen.
Wenn man bedenkt, dass Le Bon dieses Buch vor über einhundert Jahren schrieb und dass auf dem Gebiet der Massenpsychologie in den letzten einhundert Jahren wohl sehr viel geforscht wurde, bekommt man eine Ahnung davon, wie tiefgehend das Wissen über die Beeinflussung der Massen heute sein dürfte.
Nehmen wir das Beispiel Christentum. Die gesamte westliche Kultur gründet auf dem Christentum. Die Klöster waren die ersten Stätten für Wissenschaft, Bildung und Aufklärung, aber auch für Spitäler und Armenversorgung. Das christliche Gedankengut der Nächstenliebe, der Selbstverantwortung und der Verantwortung gegenüber der Schöpfung, hat die westlichen Gesellschaften geformt, bis weit in die Wirtschaft hinein (Ferien, Sozialversicherungen). Natürlich wurde auch das Christentum von machtgierigen Menschen missbraucht (der Mensch vermag alles zu missbrauchen), aber insgesamt hat das Christentum den christlichen Nationen eine Basis gelegt, die sie lange trug. Dann kam das Christentum mehr und mehr unter Beschuss. Selbstverständlich war es richtig jedwede Art von Übergriffigkeit kirchlicher Strukturen und Menschen zu bekämpfen. Aber das wurde lange Zeit nicht einmal konsequent getan. Dafür wurden und werden seit vielen vielen Jahrzehnten zentrale christliche Moralvorstellungen ins Visier genommen und an- und abgeschossen. Werte wie «Familie», «Ehe», «Mann und Frau», «Leben» sowie «Wahrheit» werden torpediert. Die Bibel, das Gebet und das Kreuz werden belächelt, verachtet, entfernt oder totgeschwiegen. Die neuste Idee ist, die «Weihnachtsfeier» in «Winterfeier» umzubenennen, um niemanden auszuschliessen, heisst es.
Gott steht etwas weniger im Zentrum der Angriffe, weil man sich unter diesem Begriff vieles vorstellen kann. An irgendeine Form von Gott, göttliche Macht oder Energie glauben viele. Auch andere Religionen haben Götter. Aber Jesus? Ganz schlimm. Der stört und soll weg. Keine Weihnachtsfeier, an Ostern geht es um die Schokoladenhasen und bei Pfingsten weiss eh kaum mehr jemand, um was es da ging, ausser, dass da vielenorts am Montag frei ist.
An die Stelle der christlichen Moralvorstellungen tritt ein Jesus-freier Humanismus. Im Gegensatz zu den christlichen Wert- und Moralvorstellungen, die in der Bibel klar definiert sind (zumindest für bibeltreue Christen), können humanistische Vorstellungen den Bedürfnissen und dem Zeitgeist laufend angepasst werden. Das Ziel ist eine Welt ohne Gott (gottlos) und Jesus und die vermeintliche völlige Freiheit und Selbstbestimmung des Menschen. Auch wenn es auf Kosten anderer Menschen und der Umwelt geht. Ich frage mal aus christlicher Sicht: Ist es Freiheit, wenn in der Schweiz gemäss Bundesamt für Statistik jährlich über 12’000 Ungeborene abgetrieben werden? Und in Europa gemäss prolifeeurope.org 73 Millionen Ungeborene?
Zurück zur Psychologie der Massen. Es geht also um Verführung! Schuld sind aber nicht nur die Verführer. Man muss sich auch verführen lassen. Wie sagte Jesus in Matthäus 24,4: Und Jesus antwortete und sprach zu ihnen: Habt acht, dass euch niemand verführt!
Gustave Le Bon und Psychologie der Massen
Der Begründer der «Massenpsychologie», der Franzose Gustave Le Bon, lebte von 1842 bis 1931. Er war Arzt, Ethnologe, Soziologe und Psychologe und beeinflusste die Wissenschaft und die praktische Politik nachhaltig. Sein Buch «Psychologie der Massen», erschienen im Nikol Verlag, 32. Auflage 2025, ISBN 978-3-86820-026-3. Es sei auch von Politikern und Diktatoren des 20. Jahrhunderts benutzt worden für die Entwicklung ihrer Propagandatechniken. Die Übersetzung von «Psychologie der Massen» von Rudolf Eisler erschien erstmals 1911.
Der zitierte Bibelvers wurde der Schlachter-Bibel entnommen https://www.schlachterbibel.de/de/bibel/.



