Mit einem neuen Patentbericht informiert die Koalition «No Patents on Seeds», dass bereits mehr als 1’000 konventionell gezüchtete Pflanzensorten in Europa von Patenten betroffen sind, obwohl es laut europäischer Gesetze solche Patente gar nicht geben dürfte.
Aus meiner Sicht sollten solche Patente für alle Pflanzen, Tiere und Mikroorganismen verboten werden, ja für die gesamte biologisch vermehrbare Materie, also auch für Gene etc., weil die Folgen von Patenten für belebte Materie verheerend sein können. Der Roman und Wirtschaftsthriller Der Brotkönig zeigt, wie Patentinhaber (oft Konzerne) andere Züchter aus dem Markt drängen, Landwirte in die Abhängigkeit zwingen und auch die Verarbeitung der Ernten kontrollieren können, zugunsten des eigenen Profits und schliesslich zulasten aller Konsumentinnen und Konsumenten.
„Die Welt ist Physik. Alles, was man tut, sei es denken, handeln oder unterlassen, hat Wirkung. Diese Wirkung kehrt zurück zum Verursacher, früher oder später, offensichtlich oder auch kaum nachvollziehbar. Aber unvermeidlich.“ (Seite 445)
Dieses Zitat, dem 5. Abschnitt vorangestellt, zeigt, dass wir alle verantwortlich sind für das, was wir tun, aber mehr noch für das, was wir eben nicht tun, sondern stillschweigend hinnehmen.
In seinem Roman entwickelt Lois Leander den Plan eines Konzernchefs, Macht über die weltweite Nahrungsmittelproduktion zu erlangen. Dieser Plan ist absolut realistisch, leider.
Nach einem Prolog, der aufhorchen lässt, geht der Autor in der Zeit zurück und lässt seine Leser teilhaben an den Entwicklungen seiner beiden Hauptprotagonisten Julius van Erpold und Martin Elkberg. Der reiche Konzernchef Julius van Erpold, in einer lieblosen Umgebung groß geworden, strebt nach Macht und verliert dabei jedes Maß. Er ist ein Meister der Manipulation und weiß sehr genau, wie er die Dinge in seine Richtung lenken kann. Der hochbegabte Wissenschaftler Martin Elkberg stammt aus einer erfolgreichen Unternehmerfamilie, erkennt jedoch früh, dass das Streben seines Vaters nach Erfolg und immer mehr Erfolg ihn nicht zufriedenstellt. Er findet Freunde, mit denen er andere Vorstellungen vom Leben und Zusammenleben verwirklichen möchte. Er strebt nach Weisheit, nicht zuletzt durch seine Freundschaft zu Abraham Perlstein, einem Juden, der das Lager in Nordhausen überlebt hat und davon überzeugt ist, dass er noch eine Aufgabe zu erfüllen hat. Die Gespräche zwischen den beiden zeugen von großer Tiefe und gegenseitigem Verständnis und bringen die Dinge auf den Punkt.
Ruhig und ausführlich entfaltet Leander in einem angenehm zu lesenden Schreibstil das Szenario, dass die beiden schließlich zu Gegnern macht. Nicht nur die Mechanismen der Macht und wie sie funktionieren, sondern auch, wie die Umstände Menschen prägen, werden sehr gut beschrieben. Auch dabei wird klar, dass jeder eine Wahl hat, wie er sein Leben gestaltet.
Der Roman ist überwiegend sehr kurzweilig zu lesen. Im letzten Drittel wird es teilweise etwas langatmig, wenn es darum geht, van Erpolds Plan umzusetzen. Das jedoch beschreibt in meinen Augen genau und ebenfalls realistisch, wie diese Dinge ablaufen. Es gibt endlose Sitzungen, in denen Menschen sitzen, denen nicht unbedingt und zwangsläufig die letzte Konsequenz der gewünschten Änderungen wirklich klar ist. Menschen müssen überzeugt werden, dazu sind viele Mittel recht.
„Ein Abenteuer um Macht und Weisheit, um den Glauben an sich selbst oder an Gott.“ – dieser Satz aus dem Klappentext und der Epilog fassen die Absichten des Autors perfekt zusammen.
Das Cover bringt die beiden Gegensätze in hervorragender Weise zusammen. Auf der einen Seite das Feld mit dem Wissenschaftler, auf der anderen der Konzernchef auf dem Dach eines Hochhauses, dazwischen in auffälligem Rot der Titel.
Fazit: eine unbedingte Leseempfehlung für einen Roman mit einem absolut realistischen Szenario, der viel Stoff zum Nachdenken, auch und gerade über eigene Verhaltensweisen gibt.
Wie wollen wir in Zukunft leben? In welche Hände legen wir wichtige Entscheidungen? Woran glauben wir? Für mich sind das einige der zentralen Fragen, die dieses Buch aufwirft.
Lois Leander ist es gelungen ein spannendes, hochkomplexes Buch zu schreiben, das beängstigend nahe an der Realität vorbeischrappt. Dieser Wirtschaftsthriller lädt zum Dialog ein und regt zur Selbstreflektion an. Jedes Wort, jeder Satz ist so wohlüberlegt gesetzt, wie die beiden Protagonisten des Thrillers handeln.
Fachwissen wird so einfach erklärt, dass es auch Laien wie mir möglich ist, den teils schwierigen Sachverhalten zu folgen. Das Bild des Glaubens, das in diesem Buch gezeichnet wird, gefällt mir äußerst gut und lässt Raum für Interpretationen und andere Meinungen.
Aufgrund der Dichte der Informationen sowie der Dicke des Buches (639 Seiten) musste ich mir zwischendurch immer wieder mal eine Pause gönnen, um Abschnitte sacken zu lassen.
Fazit: Ein Buch, das aufrüttelt und zum Nachdenken anregt. Definitiv lesenswert!