Rezension von Martinchen, aus einer Lovelybooks-Leserunde, zum Roman Der Brotkönig:
„Die Welt ist Physik. Alles, was man tut, sei es denken, handeln oder unterlassen, hat Wirkung. Diese Wirkung kehrt zurück zum Verursacher, früher oder später, offensichtlich oder auch kaum nachvollziehbar. Aber unvermeidlich.“ (Seite 445)
Dieses Zitat, dem 5. Abschnitt vorangestellt, zeigt, dass wir alle verantwortlich sind für das, was wir tun, aber mehr noch für das, was wir eben nicht tun, sondern stillschweigend hinnehmen.
In seinem Roman entwickelt Lois Leander den Plan eines Konzernchefs, Macht über die weltweite Nahrungsmittelproduktion zu erlangen. Dieser Plan ist absolut realistisch, leider.
Nach einem Prolog, der aufhorchen lässt, geht der Autor in der Zeit zurück und lässt seine Leser teilhaben an den Entwicklungen seiner beiden Hauptprotagonisten Julius van Erpold und Martin Elkberg. Der reiche Konzernchef Julius van Erpold, in einer lieblosen Umgebung groß geworden, strebt nach Macht und verliert dabei jedes Maß. Er ist ein Meister der Manipulation und weiß sehr genau, wie er die Dinge in seine Richtung lenken kann. Der hochbegabte Wissenschaftler Martin Elkberg stammt aus einer erfolgreichen Unternehmerfamilie, erkennt jedoch früh, dass das Streben seines Vaters nach Erfolg und immer mehr Erfolg ihn nicht zufriedenstellt. Er findet Freunde, mit denen er andere Vorstellungen vom Leben und Zusammenleben verwirklichen möchte. Er strebt nach Weisheit, nicht zuletzt durch seine Freundschaft zu Abraham Perlstein, einem Juden, der das Lager in Nordhausen überlebt hat und davon überzeugt ist, dass er noch eine Aufgabe zu erfüllen hat. Die Gespräche zwischen den beiden zeugen von großer Tiefe und gegenseitigem Verständnis und bringen die Dinge auf den Punkt.
Ruhig und ausführlich entfaltet Leander in einem angenehm zu lesenden Schreibstil das Szenario, dass die beiden schließlich zu Gegnern macht. Nicht nur die Mechanismen der Macht und wie sie funktionieren, sondern auch, wie die Umstände Menschen prägen, werden sehr gut beschrieben. Auch dabei wird klar, dass jeder eine Wahl hat, wie er sein Leben gestaltet.
Der Roman ist überwiegend sehr kurzweilig zu lesen. Im letzten Drittel wird es teilweise etwas langatmig, wenn es darum geht, van Erpolds Plan umzusetzen. Das jedoch beschreibt in meinen Augen genau und ebenfalls realistisch, wie diese Dinge ablaufen. Es gibt endlose Sitzungen, in denen Menschen sitzen, denen nicht unbedingt und zwangsläufig die letzte Konsequenz der gewünschten Änderungen wirklich klar ist. Menschen müssen überzeugt werden, dazu sind viele Mittel recht.
„Ein Abenteuer um Macht und Weisheit, um den Glauben an sich selbst oder an Gott.“ – dieser Satz aus dem Klappentext und der Epilog fassen die Absichten des Autors perfekt zusammen.
Das Cover bringt die beiden Gegensätze in hervorragender Weise zusammen. Auf der einen Seite das Feld mit dem Wissenschaftler, auf der anderen der Konzernchef auf dem Dach eines Hochhauses, dazwischen in auffälligem Rot der Titel.
Fazit: eine unbedingte Leseempfehlung für einen Roman mit einem absolut realistischen Szenario, der viel Stoff zum Nachdenken, auch und gerade über eigene Verhaltensweisen gibt.

